Gery Georgieva

Gery Georgievas multimediale Arbeiten untersuchen Identität, Geschlecht und kulturelles Gedächtnis durch die Ästhetik von Performance und Popkultur.

Gery Georgieva (geb. 1986 in Varna/BG) ist eine in London lebende Künstlerin, die hauptsächlich in den Bereichen Video, Performance und Installation arbeitet. Sie studierte Bildende Kunst an der Goldsmiths, University of London, und absolvierte anschließend ein Postgraduiertenstudium an der Royal Academy Schools. In ihrer künstlerischen Praxis setzt sie sich mit Fragen der Identität, Selbstrepräsentation und dem Zusammenspiel von Populärkultur und Volkstradition auseinander – oft durch performative Selbstinszenierungen und musikalische Alter Egos.

Georgieva kombiniert visuelle und klangliche Motive aus dem Balkan mit westlicher Popästhetik und nutzt ihren eigenen Körper und ihre Stimme als Ausdrucksmittel. Ihre Arbeiten hinterfragen Geschmack, kulturelle Stereotype und Weiblichkeitsbilder mit einer Mischung aus Humor und emotionaler Intensität. Sie erhielt u. a. die Frieze Film Commission (2015) sowie den Gaudenz B. Ruf Award for New Bulgarian Art (2017). Georgieva lebt und arbeitet in London (UK).

Nachfolgende Arbeiten der Künstlerin wird in der Ausstellung EVROVIZION.CROSSING STORIES AND SPACES gezeigt:

Balkan Idol, HD-Video, 4’05”, Buzludzha und Svilengrad/Bulgarien, 2015.
Kamera: Louis-Jack; Dubbing-Mixer: Fred Pearson; Coloristin: Laura Hewett
Musik: Brala Moma Ruzha Tsvete (Die junge Ruzha pflückte Blumen), komponiert von Stefan Mutafchiev;
Kuchek S-Class, FANTASY FACE Remix, geschrieben und performt von Patchfinder & Vera Modena
Courtesy: Body Records
© Gery Georgieva

In ihrer Videoarbeit Balkan Idol nutzt Gery Georgieva Stimme und Körper als mediale Ausdrucksformen, um verschiedene kulturelle Identitäten und Geschichtsebenen Bulgariens zu verhandeln. Die Künstlerin verwebt Lieder und Orte aus dem verfallenden Erbe der kommunistischen Vergangenheit mit der bulgarischen Folk-Pop-Kultur. Während sie in einer Szene das traditionelle Lied Brala Moma Ruzha Tsvete a cappella in den Ruinen des Buzludzha-Denkmals singt, tanzt sie in einer anderen Szene im Nachtclub Romantika Princess in Svilengrad – einem Ort der Chalga-Musikszene. Beide Orte stehen exemplarisch für unterschiedliche Ausprägungen bulgarischer Geschichte und nationaler Identität.

Das Buzludzha-Denkmal wurde 1981 von der Bulgarischen Kommunistischen Partei als Symbol des Sozialismus errichtet, nach 1989 jedoch aufgegeben und dem Verfall überlassen. Zeitgleich entstand in den 1990er-Jahren eine neue musikalische Bewegung: Chalga – eine in Südosteuropa verwurzelte Popform, die Elemente traditioneller Musik mit elektronischen Beats verbindet. Clubs wie das Romantika Princess verkörpern eine bewusste Entgrenzung und spiegeln das neu gewonnene Gefühl von Freiheit wider.

Der Film wechselt fortlaufend zwischen den beiden Szenarien und lässt sie ineinander übergehen. Musik, Bildsprache und Gesten verschmelzen zu einer hybriden Erzählung. Selbst Georgievas selbstgeschneidertes Kleid – eine Kombination aus traditionellem Trachtenmuster und glitzerndem Disco-Material – verkörpert diesen Spannungsbogen zwischen Geschichte und Gegenwart.

Der Titel spielt auf American Idol an und hinterfragt die Mechanismen kultureller Repräsentation und Authentizität im globalen Kontext. Georgieva, die in Varna geboren und in London aufgewachsen ist, erforscht in ihren Performances und Filmen Konzepte von Zugehörigkeit und Begehren. Mit dem eigenen Körper als Ausdrucksmittel eröffnet sie einen "Third Space" (Homi Bhabha): einen Ort zwischen den Kulturen, in dem Bedeutung und Identität nicht festgelegt sind, sondern ständig neu ausgehandelt werden – hybrid, fluide und diasporisch.

The Blushing Valley, HD-Video mit Stereoton, 4’, Kazanlak/Bulgarien, 2017.
© Gery Georgieva

In ihrer Videoarbeit The Blushing Valley untersucht Gery Georgieva auf poetische Weise kulturelle Identität, Weiblichkeit und die Kommerzialisierung von Tradition. In der 4-minütigen Loop-Arbeit inszeniert sich Georgieva als moderne „Rosenkönigin“ – inspiriert vom berühmten bulgarischen Rosenfest in Kazanlak, bei dem Rosen zur Ölgewinnung geerntet werden. Die Künstlerin konfrontiert das nationale Symbol der Rose mit einer zeitgenössischen Neuinterpretation und unterläuft damit gängige Vorstellungen von Weiblichkeit und Tradition.

In einer choreografierten Performance trägt Georgieva ein prachtvolles, fließendes Kleid, das folkloristische Assoziationen aufruft, jedoch durch ihre leicht surreale Körperlichkeit in einen neuen Kontext gesetzt wird. Die Bildsprache des Videos verbindet traditionelle Motive mit Popkulturelementen. Georgieva bewegt sich zwischen Anmut und Ironie – untermalt von einem rhythmischen, fast hypnotischen Soundtrack, der die Sinnlichkeit des Rosensymbols verstärkt und gleichzeitig auf seine Vermarktung verweist.

The Blushing Valley kritisiert die ökonomische Verwertung nationaler Identitäten, insbesondere die Darstellung femininer Ideale als konsumierbare Kulturgüter. Georgieva verkörpert eine hyperfeminisierte Version der Rosenkönigin und konfrontiert die Betrachter:innen mit der Spannung zwischen Nostalgie und touristisch geprägter Heritage-Industrie.

Die Arbeit wirft Fragen zur Rolle von Tradition im Zeitalter des globalen Kapitalismus auf und zeigt, wie kulturelle Symbolik, Weiblichkeit und Authentizität inszeniert, vermarktet und neu definiert werden können. The Blushing Valley ist eine vielschichtige Reflexion über kulturelle Konstruktionen – persönlich, national und medial vermittelt.

Werke

  • Balkan Idol
  • Balkan Idol
  • Balkan Idol
  • Balkan Idol

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